Montag, 11. September 2017

Danke Nepal!

11.9. - Danke Nepal - für die beiden reichen Monate, für die wundervollen, tollen und starken Menschen und ihre Persönlichkeiten, welche ich kennenlernen durfte. Danke für die Stärke, den Willen und die Zuversicht, mit welchen du mein Inneres ausgekleidet hast. Danke für alles, was du mir gegeben hast: die Bilder, die Erlebnisse, die Gerüche und Geschmäcker, die Geschichten und die Klänge. 
Danke für die Gastfreundschaft, dass du mir und meinen Mitwanderern so viel gegeben hast, wo du doch selbst eine solche Armut ertragen musst. 
Danke, dass wir kommen durften, nach dem Erdbeben - und dass wir dennoch durchwandern durften, sehen durften, dass du uns einige Fehlschläge und inkorrekte Verhalten verziehen hast! 
Danke, dass ich bleiben durfte, wenn es mir nicht gut ging, dass ich Zeit bekam, mich zu fangen - und dass ich bleiben durfte, wenn ein Moment gerade so schön war dass ich ihn nicht verpassen oder verstreichen lassen wollte! 

Danke, dass mir nichts passiert ist. Strassen ohne Asphalt, Steine überall, Geröll und Staub - Berge, Treppenstufen, Flussdurchquerungen, Regen und Hitze... Viel haben meine Füsse mitgehalten und ertragen, erlebt und gespürt! Und nichts ist mir passiert - da ich aufgepasst habe, da ich vorsichtig war und weil irgendwie auf mich aufgepasst wurde! 
Ich danke dir, Nepal, dass ich kommen durfte, dass ich da sein durfte! Die Monate waren ein Geschenk für mich, eine Fülle, etwas Gutes (ich bin kein Schwarz-Weiss-Denker, aber wenn ich die Welt in Gut und Schlecht einteilen würde dann wäre Nepal tatsächlich etwas "Gutes"!).

Danke, dass ich den Teil meiner Schritte in deiner Fülle tun durfte - danke für das alles. 


Samstag, 9. September 2017

Absprung...

9.9.• Morgen verlasse ich dieses Land. Dieses wunderbare, spannende, aufregende Land - welches zugleich arm und unfassbar reich ist. Ich verlasse die vielen Menschen, welche mich auf meiner Reise begleitet und gestützt haben und welche mir so unendlich viele schöne Momente ermöglicht haben.
Ich verstehe nun, wo es vorbei ist, dass alles, was so schön war, die negativen und schwierigen Momente, die Ängste, Bedenken und sogar Überlegungen, früher nach Hause zu fliegen, Teile des Ganzen waren. Dass sie solche sein mussten - um aus einer Reise ein Erlebnis zu zaubern. Der Tiefpunkt für mich war wohl bei meiner Ankunft im Kloster Neydo, als ich zwischenzeitlich "kein Zuhause" hatte. Da hat mich Stephan rausgefischt. Heimweh in Muktinath und Sorgen um mein eigenes Ich - da war es Chhewang, welcher mich gedrückt und gestärkt hat.
Und nach und nach konnte ich mir selbst den Rücken stärken, mir selbst einflüstern, was der nächste Schritt sein wird, wohin der nächste Blick wandern wird. Mit der Zeit die Routine des "Ich lasse es wirken und vorbeigehen".
Ich versuche, die beiden Monate ins Gefühl zu bekommen, versuche sie so zu verpacken, dass ich sie mit nach Hause tragen kann. Versuche, Zeit zu empfinden - doch es gelingt mir nicht... Ich kann nur Momente fühlen, keine Nepal-Zeitspanne, wie ich es gerne tun könnte.
Am Vortag habe ich lange mit Stephan darüber geredet: ist es möglich, ein Empfinden zu speichern, sodass man zB wärend der Linguistikvorlesung kurz dieses Beutelchen auspacken um hinter dem Wasserbüffel die Annapurnastufen hochzuächzen, oder die Gerüche von Kumin, Masala, den stinkigen Toiletten/Plumpsklos im ganzen Land, den Yakdung oder den salzig-süsslichen Geruch der Buttermilch zu schmecken? Kann ich das MITnehmen?
Ich stelle es mir sehr schwer vor. Werden die Schweizer Busnetze (5min zu spät und es wird eine Reklamation geben - wärend hier Busverbindungen teilweise für einen Tag ausfallen) meine Bilder von hier verdecken? Wird mein Fahrrad und der glatte Asphalt der Strassen die Steinberge, Schlaglöcher und die grossen Pfützen überlagern?
Wird meine "erzogene" Hündin die feucht-klebrigen Schleckzungen der Strassenhunde wegmachen - und was passiert mit dem dauernden Daal Bat - Essen und dem ständig durchgekochten Essen (nie frisch oder kalte Mahlzeiten) wenn es wieder öfter die Birchermüsli oder geliebten Hirse-Braten gibt zuhause? Was wird mit mir passieren - wenn ich wieder in der Schweiz bin? Vor dem Heimkommen und dem wieder Einleben habe ich keine Angst, auch wenn es vielleicht ein kleiner Kulturschock im neuen Wohlstandsbewusstsein sein wird.
Ich wünsche mir vielleicht, dass man Momente in Sächcken speichern kann, sodass man nicht bloss die Bilder und Erinnerungen wiederrufen kann sondern auch die Empfindung, das Gefühl dahinter!

An unserem letzten Tag zusammen machen wir uns zuerst auf zum Water Garden etwas ausserhalb von Kathmandu. Leider war dieser nicht so wunderbar wie erwartet, wieder einmal hatte TripAdvisor uns die Bilder schöner und prächtiger präsentiert. Ich rate jedem, sich nicht ans Internet zu halten, wenn er oder sie in Nepal unterwegs sind. Die Bilder sind meistens vor dem Erdbeben aufgenommen oder bearbeitet, sodass es prächtiger aussieht als es eigentlich ist... Natürlich blieben wir dennoch eine Weile, liefen umher und sahen einige Ratten. Bei diesem Anblick dann entschied Pia, dass wir uns aufmachen zum Affenberg, dem Swayambhu. Dort war ich mit Sanyia, an unserem ersten Tag - und ich weiss noch dass ich den Ort ganz besonders gemocht habe! Die Affen mit ihren Babys, welche die Treppe säumten und jedem ein Stück Mais oder Toast abluchsen sind auch heute zahlreich, es ist jedoch unglaublich heiss! Renata hat sich extra ihren Sari angezogen für Fotos - und natürlich leidet sie dann beim Weg die Treppen hoch! Oben streifen wir etwas um den Tempel, weichen - inzwischen geschickt - den vielen Ständen und Verkäufern aus ("Ma'am, do you wanna see? Just 100 Rupees! Ma'am!!").
Leise sage ich zu Pia, dass es mich inzwischen sehr viel Nerven kostet, ruhig und freundlich zu bleiben... Manchmal ist es etwas stressig. Plötzlich, als wir unten auf die Beiden anderen warten um nach Thamel zu fahren, kommt ein kleines Mädchen und zerrt an Pias Kleid. Sie bittet um Geld, ist sehr beharrend und folgt uns, als wir ausweichen wollen. Hier kann man nicht ignorant sein, es ist menschlich einfach fast nicht möglich! Dennoch müssen wir sie ignorieren, denn es kommen sonst immer mehr, die Eltern werden folgen. Sonst hatte ich immer kleine Caramel-Bonbons dabei für die Kinder, doch heute bin ich ganz leerer Hände...
Auch mit dem Taxifahrer gibt es noch eine kurze Diskussion wegen des Geldes. Wie immer denke ich, dass es eigentlich unverschämt ist, dass wir für eine Fahrt von 20min über 300 oder 500 Rupees diskutieren. Ich meine, das sind knappe 5 Franken, es ist unglaublich wenig! Doch man muss es relativieren, für die Leute hier ist es wieder mehr Geld!
In Thamel angekommen setzen wir uns in unser geliebtes Himalayan Java und kühlen bei Eiskaffee und Bagel erst einmal runter. Den Nachmittag verbringen wir voll und ganz in Thamel, laufen durch die Gassen, kaufen Geschenke und Andenken - und irgendwann sind unsere Nerven blank und unsere Körper so staubig, dass wir kaum mehr können. Diese Stadt kann so anstrengend sein, sind wir uns einig - und irgendwie hilft es, dass es uns allen gleich geht :)
Ständig werden wir von Taxifahrern angepeilt, von "Guides" umschwärmt - und es ist unmöglich, in einen Laden zu gehen und einfach für sich in Ruhe zu schauen. Die Verkäufer stehen non-stop hinter einem, man spürt ihren Atem, ihr Warten, im Nacken. "Can I JUST look around, please?", bettle ich immer wieder. Und wenn ich einen Sneaker in die Hände nehme und nach der Grösse schaue, kommt gleich die Frage: "You like Adidas, Ma'am? Here is more! Look! You want?"
Und ich muss mich fest zwingen, nicht allzu sehr gestresst zu werden!
Wir haben es dennoch lustig zusammen. Irgendwie. Da Pia und ich viel schneller laufen als Özege und Renata, gehen wir ein bisschen vor und streifen durch die Strassen. Mit der Zeit beginnen wir, die werbenden Strassenbewohner zu ignorieren, ein bestimmtes "No, thanks" tut es auch!
Am Abend treffen wir uns mit Megan, welche den Tag im Camp verbracht hat da es ihr gesundheitlich immer noch nicht gut geht. Ich frage mich, warum die Antibiotika nicht wirken bei ihr. Mich haben sie auf dem Trek damals gerettet!
Zusammen geniessen wir also unser letztes Abendessen im schon bekannten "Or2k" und zuhause im Camp stehen wir noch lange auf der Dachterrasse und blicken über Kathmandu. Die Stadt LEBT. Sie lebt so sehr! Auf allen Dächern sind Menschen, auf den Strassen sind Menschen, überall tönt es, überall passiert was!
Ich kann nicht glauben, wie sehr das Leben hier draussen stattfindet, wie viele Leute auf den Strassen "leben"!
Man ist, das ist echt so, nie alleine, nie alleine...
Und dann gehen wir alle in unsere Zimmer, legen uns auf die Betten - meines quietscht und rasselt ein letztes Mal, wärend ich die heruntergeladenen Episoden von "the affair" inhaliere und warte, bis ich müde genug bin, um ein letztes Mal in Nepal zu schlafen...
Bis morgen!  






Freitag, 8. September 2017

Das Vertrauen eines Kindes

Primary 1 - Zero-Hour
6.9.• ...da Pia wie gesagt eine Woche vor mir zu arbeiten begonnen hat ergatterte sie den passenden Spitznamen "Mami", wärend die Kinder mir dann "Papi" zuschrieben - ich finde es ganz lustig! Vor allem weil sie selber verstehen wie falsch es klingt und mich dann jeweils mit ihren glänzenden Äuglein anlachen und glucksen. Papi...
Jeden Morgen und nach einer halben Stunde Mittagspause laufen wir drei also runter zur Holy Spirit School und begrüssen die Schützlinge. Manche von ihnen sind schon sehr reif, reden einige Worte Englisch mehr und können zuhören. Die Meisten aber sind erst 3, 4 Jahre alt und hören noch nicht einmal den nepalesischen Anweisungen der Lehrerinnen zu.
Wenn wir etwas Schreiben oder (was ich jeweils organisiere) draussen Spiele spielen oder Malen werde ich mit "Ma'am" angesprochen.
"Ma'am", "Ma'am!!!", kreischen sie mir ins Ohr, wollen, dass ich irgendetwas ansehe oder korrigiere. Sie scheuen sich nicht davor, mir, wenn ich nicht gleich aufsehe, auf den Rücken zu hauen, mich an den Haaren zu ziehen oder ihre spitzen Nägelchen in meine Unterarme zu graben. Auch gegenseitig sind sie nicht besonders nett zu einander. Oft wird gezwickt, gestossen- einmal sogar mussten wir zwei Jungs auseinanderzerren, die sich gewürgt haben. Die Lehrerinnen schlagen die Kids, nicht verletzend, dennoch so, dass ab und an Tränen der Empörung fliessen.
Meistens aber wird nicht richtig geschlagen sondern nur die drohende Andeutung gemacht - dann benimmt sich der Schuldige meistens. Ich musste zwei, dreimal ziemlich einstecken: Rückenschläge, einmal Beissen, einmal die Brille aus dem Gesicht geschlagen... schimpfen fiel mir in solchen Situationen dann plötzlich nicht mehr schwer 🤔
Die Pre-Primary-Klasse lernt wie beschrieben knapp das Alphabet wobei ich aber nicht denke, dass sie die Buchstaben verstehen und platzieren können, dafür sind sie einfach zu klein!
Ich versuche also, sie mit Ballspielen zum Zählen, mit Pantomimen zu Englischen Tierbegriffen zu locken. Funktioniert ganz gut!
In der Primary-Klasse, welche ich ab dem 4. Tag übernommen habe, da Pia ins Orphanage gewechselt ist, können sie schon buchstabieren und brüllen mir brav die diktierten Worte nach (es wird immer und alles diktiert - fast nie probieren sie ganz alleine...). Hier plötzlich bricht mir der Schweiss aus, denn ich merke, dass ich SELBER echt schlecht englisch buchstabieren kann! Plötzlich fällt mir nicht mehr ein, wie man "y" nennt und dann haben die Nepali auch teilweise etwas andere Aussprachen, da sie einige Laute nicht kennen - und schon kann die Klasse mir nicht mehr folgen. Mir ist es peinlich der Lehrerin gegenüber, denn ich will doch helfen! Sie jedoch ist geduldig und wartet, bis ich die Klasse wieder "bei mir habe", denn sehr oft "rennen sie mir davon" und rasen das ganze A-B-C-D-Lied rauf und runter, ohne dass man sie dazu aufgefordert hat!
Beim anschliessenden Schreibunterricht sollen sie je in einer Spalte "monkey" und in der Spalte daneben "milk" schreiben und da sieht man wieder, dass sie teilweise nicht verstehen oder wenigstens das M wiedererkennen können - als Anashita also abgelenkt wird ("Ma'am!! Airplane!!") kreiert sie durch blossem Abschreiben ein "monkilk" aus beiden Spalten zusammen. Viele lassen mich nicht radieren sondern lassen nur die Lehrerin an ihre Arbeiten - doch ich verstehe auch, dass so viele Volontärwechsel die introvertierten Kids wahrscheinlich auch ziemlich verwirren!
So wie auch einige Anderen isst das "Monkilkmädchen" nicht sehr gut, schüttelt den Kopf und verweigert das Essen. Mir und Megan tut es etwas weh, zu sehen dass die Lehrerinnen das Essen dann in die Münder schieben ohne zu warten, doch es ist nicht schlimm in dem Sinne, da die Kinder sich diese Prozedur bei Lunch und Snack (Mahlzeiten welche in der Schule eingenommen werden) gewohnt sind.
Manchmal bin ich gerne mit einem Kind alleine, ohne Rivalität, denn so kann ich es besser fassen und verstehen - selbst wenn es Nepali plappert. Momente sind teilweise so wertvoll! Da gab es zB immer das kleine Mädchen aus der Pre-Primary, welches oft weinte und dabei aber so unglaublich fremdelte, dass ich nie an sie herankam! Und dann eines Nachmittags vor dem Heimgehen grossen Kummer bei ihr, vielleicht Heimweh oder eine Gemeinheit der Andern, jedenfalls weinte sie ganz fest und die Tränen flossen nur so... Ich fragte mich, was ich tun konnte, es war keine Lehrerin da die eine freie Hand hatte und so stand sie einfach alleine da... ich konnte es versuchen - nahm erst ihre kleine Hand, sie entriss sie mir natürlich.
Ich strich ihr übers Haar, schlagen und noch mehr weinen.
Dann nahm ich sie in den Arm und wärend sie sich erst wehren wollte hielt ich sie mal bisschen fest und strich ihr über die Haare. Plötzlich löste sie sich, wurde schwerer. Ich strich weiter und weiter, bis sie nicht mehr weinte sondern nur noch leise hickste. Dann legte ich mein Kinn auf ihren Kopf und hielt sie in meinen Armen, bis ich Entspannung und Verbundenheit fühlte - bis sie mir voll und ganz vertraute. Sie blickte einmal hoch, aus ihren geschminkten Augen (den Mädchen werden schon mit 4 Jahren die Augenränder mit einem selbstproduzierten Eyeliner umrandet) und da ich genau wusste das ein Augenkontakt das Band zwischen uns wieder verfremden könnte, lächelte ich, aber ohne sie zum Erwiedern zu zwingen. Das tat sie aber - also konnte ich die Zunge rausstrecken. Lachen! Ich war so erleichtert, für mich war es DAS Ziel des Tages und eine Errungenschaft gewesen. Mehr brauchte ich gar nicht "zu leisten"!
Da ich das Mädchen nicht mehr "hergeben" wollte weil mir Vertrauen einfach ein unendlich grosses Geschenk ist, behielt ich sie auf dem Arm bis ihr Vater da war. Ich hoffe und glaube, dass das was Gutes war, dass ich da "geschafft habe". 💛
Abends gehen wir zusammen nach Thamel, um die Woche abzuschliessen. Ich bin gerne mit den 4 Mädels zusammen unterwegs, und wenn wir weg von Kindern, Unterrichten, Camp und unseren Betten sind, ist die Kommunikation irgendwie etwas leichter - in der Shishabar spielt eine sehr gute Band (viel Ed Sheeran, welcher hier ziemlich gefeiert wird) und wir reden einfach über alles was uns bewegt und beschäftigt... Auch wenn ich diese Mädels nicht kenne, denke ich, kann ich irgendwie dennoch offen sein, frei fühle ich mich - und ziemlich gut!
Am nächsten Morgen um 6:30 eine private Yogalesson (mir fielen zwischenzeitlich, wenn es nicht gerade streng war, etwas die Augen zu - eindeutig geht kaffeenüchtern nichts) ☺
Neben meinem Trainer welcher selbst ein Yogastudio hat und extra herkam dafür komme ich mir schrecklich ungelenkig und steif vor. Wie er es schafft, die Beine etwas nr zu spreizen und dann die Stirn auf die Matte zu legen ist mir unverständlich - ich kann nicht einmal die Beine in gerade (!) Richtung Himmel strecken! Plötzlich sind da irgendwie nur noch Beine und Arme welche allesamt viel zu lang scheinen - und ich bin ihm ziemlich dankbar, dass er keine Kommentare macht ^^
Später mache ich mich auf nach Thamel, wo ich Stephan und Pasang noch einmal treffe in der Pumpernickel Bakery. Wir sitzen gemütlich zusammen hinten im Garten unter Fruchtbäumen und wie letztes Mal finde ich es wunderbar, die Gäste zu beobachten, welche meistens Nichtnepalesen sind und mit Buch und Kaffee zum Frühstück hier her kommen und etwas recherchieren, schreiben und einfach etwas die Hinterhofstille geniessen...
Nach einem schönen letzten Thameltag fahre ich ins Camp retour, wo ich schön geschmückt in einen Sari gehüllt werde und mir Akriti Henna auf die Hand malt! Das riecht komisch, aber "erdig" und ich mag es - es beruhigt auch wunderbar, ihr beim Ornamente-zeichnen zuzuschauen! Das gesamte Team sitzt rundherum, schaut (wie fast immer) TV und ich geniesse es, einfach etwas mit ihnen zu sein. Manchmal ist es gar nicht schlimm, im Gegenteil, eine Sprache nicht zu verstehen - es ist fast eine Erleichterung, zuhören zu dürfen, ohne das Gehörte danach gleich zu bedenken - versteht ihr was ich meine?

Human Hand 

Das IDEXteam :)

Shishabar: "Alice in Wonderland"-Style

Don't look at me like that....

Montag, 4. September 2017

Holy Spirit School und das "Hennencamp"

4.9. • In Nepal ist Sonntag der erste Wochentag, Freitag und Samstag ist Wochenende. Der Sonntag ist somit mein erster Arbeitstag. Nach dem Frühstück um 9:30 Uhr gehen Pia (Australia), Megan (Irland) und ich zur Holy Spirit School, wo Kinder zwischen 3 und 8 Jahren unterrichtet werden.
Nach der Eröffnungsceremonie, wo Sprüche und Lieder aufgesagt werden, wo Vitamine und Nahrungsmittel in kleine Liedchen gepackt und gesungen/gekreischt werden, gehen wir alle drei in die verschiedenen Klassen.
Ich werde den kleinsten zugeteilt, der Pre-school.
Pre-Primary-School ist hier sozusagen ein Kindergarten, wo aber die Kinder schon schreiben und reden lernen. Am Sonntag lernen sie das H, singen (je nach Durchsetzungsvermögen der Lehrerin) "Humpty Dumpty sad on the wall...", schreien in Folgen "H like house! H like horse! H like heaven!"
Dann wird wieder gespielt und ich bemerke, dass die Kinder nicht immer sehr lieb miteinander umgehen. Viele zwicken einander, ziehen sich gegenseitig an den Haaren oder stossen sich. Doch tragisch ist es nie - meistens kurz Tränen dann ist wieder Ablenkung da. Gehandhabt wird hier - da muss man einfach wegsehen - auch das "corporal punishement", das bedeuted dass die Kids auch mal eine fangen, wenn sie nicht artig sind oder aber auch, wenn eine ihrer Matherechnungen einfach nie stimmt!
Um 11:00 gibt es für die Kleinen und die Primary 1-Klasse Lunch und unsere Aufgabe ist, zu schauen dass sie alles aufessen. Ich merke schnell, dass sich einige Kinder gewohnt sind, nicht selbst zu essen und so kommt es dass wir die Hälfte selbst "füttern". Wenn sie den Dal Baat gegessen haben bekommen sie das beliebte Papad-Brot dazu und nachdem sich alle ihre Essensschürzen wieder abgezogen haben geht die Spielerei weiter. Ich bin manchmal etwas ratlos mit dem Nepali, denn auch wenn sie Englische Worte lernen, indem sie sie nachplappern bin ich mir nicht sicher, ob sie tatsächlich alles verstehen und auch anwenden können...?
Die Zimmer sind allesamt hübsch gestaltet - wie immer bin ich von der Bastelkunst in Schulen begeistert! Ich weiss noch, dass ich das früher auch sehr gerne gemacht habe!
Das Spielen mit den Kindern ist so lustig, dass ich mit der Zeit nicht mal mehr die Zeiz im Auge habe. Ich mag es, sie hochzuziehen und ihnen somit "höhere Sprünge" ermöglichen zu können!
Das Kichern, welches ich dafür ernte, ist irgendwie wohltuend....
Um 12:00 haben dann wir Volonteers unsere Mittagspause und so gehen wir zurück zum Camp. Eine Stunde, mehr liegt nicht drin. Nach dem Mittag findet unsere "Zero-hour" statt, wo wir eigenes Programm mit den Klassen halten. Pia und ich kümmern uns um die Primary 1 und versuchen eine Art "Speaking lesson", wir lernen ihnen als erstes Emotionen. Pia hatte auf Papieren Gesichter ausgedruckt, welche den Kindern helfen sollen, ihr Befinden zu äussern. "How are you feeling today?", machen Pia und ich vor - in der Hoffnung, dass uns die braun-schwarzäugigen "Knöpfchen" folgen können.
Sie geben sich echt Mühe, doch auch diese Klasse ist nicht die simpelste und oftmals haben wir das Gefühl, dass die Lehrerinnen lieber ihr Ding ohne uns durchziehen würden. Es ist unglaublich schwer (und das berichten auch Ozege (Türkei) und Renata (Holland), welche die Woman Empowerment machen (und Frauen Englisch unterrichten), den Nepali die Weltsprache zu lernen. Sie sind sich gewohnt, "nachzuplappern" und abzuhören. Das bedeutet, dass man ihnen zwar eine Frage, ein Ausdruck, lernen kann - doch alles was sie können und gewohnt sind ist das Nachsprechen. Es ist unglaublich schwer, ihnen das Fragewort zu zeigen, so dass sie es wieder erkennen und anwenden können (How, What, Why..?). Sie haben nie sie Wortunterscheidungen zwischen Nomen, Verb, Adjektive gemacht, somit brauchen sie dauernd den geschriebenen Satz, um ihn abzuschreiben - wenn sie selbst einen Satz bilden sollen, geraden sie an die Grenze - denn dann haben sie die Vorlage nicht! Das Verstehen, warum ein Satz genau so gebaut ist wie er dasteht, das geht bei den älteren und schon etwas gewohnteren Schülern, doch das Wiedererkennen eines Wortes und vor allem der Strukturen ist extrem schwer! Ich selbst konnte zB bei unserer kleinen Nepalistunde das Wort "mero" (=Ich, Mir) immer wieder herausfiltern. Habe es immer wieder unterschiedlich gebrauchen können - und dann heute, mit den Kindern, habe ich dadurch jeden einzelnen Satz, wo sie sagen wollten: "Ich will selber", "das ist meine Schultasche", "ich heisse..." verstehen können. Es ist das Verbinden und Wiedererkennen, was mir da gegeben ist - wenn eine Sprache aber durch Abschreiben und Nachreden gelernt wird, bleibt diese Erkenntnis - und für mich war die eigene Erkenntnis immer das hilfreichste beim Sprachen lernen - aus. Ausserdem haben sie keine Prüfungen, dh, der nötige Zwang, sich hinzusetzen und sich selbst etwas zu lernen, sodass es fest sitzt, ist nie da. Irgendwie finde ich es so schwer, zu akzeptieren, dass wir es nicht schaffen werden, ihnen auch nur eim bisschen was beizubringen, dass sie behalten können...

Um 14:00 Uhr ist für die Kinder Snack-Pause und wir helfen wiedet beim Schürzen anziehen, hinsetzen, einander in Ruhe lassen😉 und essen.
Um 15:00 verlassen die meisten der Kinder schon die Schule und somit dürfen auch wir gehen.

Am Abend gehen Sanyia und ich ins Kino. Im KL-Tower gibt es das F-Cube, ein erstaunlich grosses und ausgestattetes Kino wo wir uns Annabelle 2 ansehen. Popcorns gibt es hier in verschiedensten Geschmäckern - Sanyia sucht "Cheese" aus, welches mir in Kombination mit dem Horrorfilm solche Übelkeit verursacht dass ich mich etwas vor dem Heimweg fürchte. Trailershows gibt es hier nicht, was mir ganz komisch vorkommt, wo doch in Europa mind. 15min auf Werbung und Trailer vergeben sind.
Als Schreckhafte bleibe ich durchgehend fit, zucke zusammen, lande halb unter dem Sitz, keuche und schnappe - und Sanyia lacht über mich. 😁
Danach fahren wir zusammen auf ihrem Scooter durch die nächtlichen Strassen Kathmandus - das hinten Mitfahren geniesse ich total, wie auch schon mit Chhewang!
Ich bin sehr froh dass das Camp Computers zur Verfügung stellt - so habe ich einen besseren Überblick über Studienveranstaltungen und Vorlesungen.
Am Abend des 2. Arbeitstages laufen Megan und ich zusammen zum Boudha. Wie haben davor noch nichts speziell zusammen gemacht und auch wenn ich sie nun schon 3 Wochen kenne bin ich anfangs etwas unsicher und fremdle ein wenig. Doch nachdem wir einmal - natürlich rechts herum - um die Grosse Stupa, welche im Abendlicht immer herrlich strahlt, gelaufen sind, entdecken wir ein Himalayan Java, den quasi nepalesischen Starbucks. Wir blicken uns kurz an - ja, Kaffee. Verbundenheit😂
Drinnen ist es "like at home!"(Megan). Die Wände sind aus Bachsteinplatten und das Café hat einen eigenen Stil, es gibt echten, guten Maschinenkaffee und Flavors, nicht bloss Filterkaffee oder (Mustang, Annapurna..) Nescafé (welcher ja nicht DER Nescafé de luxe von Nestlé ist sondern ein Fake welcher echte Blähungen macht).
Wir bestellen uns Iced Coffee und ein (Megan ist heimelig und fröhlich darüber) Iced Oreo Shake. Und dann ist das Eis irgendwie auch bei uns gebrochen und ich geniesse es einfach unglaublich, mit einer mir eigentlich fremden Freundin in Kathmandu Kaffee zu trinken, bewacht von den bös blickenden (finde ich..^^) Augen Boudhas und einfach zu reden, reden, reden. Wenn man weiss, dass man sich womöglich nach Nepal nie wieder sehen wird, kann man trotzdem (oder vielleicht genau deshalb, komisch, das so zu denken!) über alles, wirklich alles reden. Ich frage sie, in Gedanken an mein nächstes Reiseziel, viel über Irland und das Leben im Winter dort aus, und irgendwie ist es einfach...schön! Nach und nach sitzen wir im gewohnten Nepali Schneidersitz, welchen man sich hier schnell aneignet, legen Schichten ab und haben es gut! Auf dem Nachhauseweg kämpfen wir uns durch den Abendverkehr, reden dabei (näselnd, da wir die Masken tragen müssen) über Vorsichtsmassnahmen, welche wir alle NICHT getroffen haben (Früchte, Eiswürfel, genug trinken, kein Alkohol in den Bergen...) und die Krankheiten, welche wir deshalb trotzdem NICHT bekommen haben... Sie zeigt mir ihre Nägel, welche trotz Mangel an Eisen und co in der Nahrunh gut wachsen und ich erzähle, wie sehr ich hier mehr Acht gebe und aufmerksam bin auf der Strasse und beim Laufen (zuhause höre ich zB viel Musik und Hörbücher wärend ich in der Stadt unterwegs bin für Besorgungen - das würde ich hier nicht machen - es gibt ZU viel, dass man durch das Gehör vermeiden und frühzeitig erkennen kann!) und dass ich ab mir selbst total erstaunt bin, wie ich mich trotz grossem Mangel an so vielem Essentiellem schneller von anschleichenden Verstimmungen und Krankheiten (wenn auch nur kleine Nahrungsproblemchen, -unverträglichkeiten..) regenerieren kann, als sei es egal, als müsse ich halt funktionieren und es somit körperlich auch mache!
Abends sitzen wir beim Abendessen zu fünft (Hennenparty🐓) noch lange zusammen, trinken teilweise Wodka, welchen Pia heimgebracht hat und reden über die Schule hier. Dann über unsere Gewohnheiten und "Laster", unsere Familien - und Megan bringt ein, zwei richtig buchreife Storys über heitere Irlandnächte.
Irgendwie mag ich Ozege, die Türkin gerne - obwohl ich sie (zu Beginn war sie ruhig und wenig "da") sehr stark mit mir verbunden habe, blüht sie nach und nach auf, redet mehr, diskutiert und ich stelle sie mir als ziemlich gute Lehrerin vor (wärend ich an mir selbst immer mehr eine kleine Unfähigkeit im Umgang mit Kindern erkenne - was nicht schlecht ist, es wird mich vielleicht einfach von einem Berufsfeld etwas wegleiten..).
Da sind wir also: Schweiz, Holland, Türkei, Irland und Australien - in Nepal zusammen arbeitend... Und wiedereinmal war es ein Moment, wo ich meine Reise nicht mit einem Abenteuer (Mama😁) vergleiche, sondern mit dem Begriff

"Verbinden". 

"Meine" 😊

Snack-Time


Nepali im Camp mit Akriti und Megan

H like House

Freitag, 1. September 2017

Letzte Langstreckenfahrt! 🚌

1.9.• "En Man som heter Ove": so heisst meine heutige Rettung. Rettung, so weit es geht. Am Vorabend - um die Dramatik und meine Mieslage noch etwas in die Höhe zu schrauben - als Sanyia und ich aus einem kleinen Abendessen-Café traten, regnete es so stark, dass die Strassen überflutet waren und das Wasser uns den Hüften hochstieg (mit einer Kraft, welche man gewöhnlichem Regenwasser nicht zutraut!) und uns fast von den Füssen riss. Zum Glück war unser Hotel nah und so waren wir schnell durch.
Am nächsten Morgen nach einem schnellen (Nes)kaffee steigen wir in den Linienbus nach Kathmandu, dieses Mal nehme ich meine Hanwags nahe unter mich. Da Sanyia am Abend davor noch lange geschnattert hatte mit der IDEX-Gruppenleiterin, welche mit einigen Volontären gerade in Pokhara angekommen war für die gewohnte "Exkursion", schläft schnell ein. Mich jedoch plagt die tropische Hitze (man denke sich auf die neue Höhenbrücke der zürcher Masoalahalle) extrem und Migräne kommt dazu. Mir ist übel!
Und kurz nach Bandipur dann der Traffic Jam, welchen die IDEXgruppe schon gestern 5 Stunden aufgehalten hat. Man stelle sich nun Stau in der zürcher Masoalahalle vor. Wüsste ich nicht, dass es (bis ich vollständig wieder-europäisiert bim und mich wieder ganz stabilisiert habe! Nach dem Studium lässt sich darüber nachdenken😅) meine LETZTE Langstreckenfahrt in Nepal ist für diesen Sommer, dass ich ab morgen in meinem letzten Zuhause, im Camp bin und eine tolle Woche mit den anderen vor mir habe... ich würde leicht wahrscheinlich:
1. Weinen
2. Also flennen
3. Die Flinte werfen
4. Schweizer Schlaflieder singen
5. Meine Reservemedikamente und alle Aspirin zusammen schlucken
6. Sanyia bitten, mir einen Hubschrauber zu organisieren
7. Meine Verzweiflung einem Wasserbüffel aus dem Fenster an den heiligen Schädel schiessen
8. In der Wartezeit zum Buddhismus konvertieren
9. Und danach vielleicht zum Hinduismus...?
10. Der Busgesellschaft vorschlagen, Wahrheit oder Pflicht (ohne Rücksichtnahme auf sämtliche Religionsbeschränkungen, sonst gehts nicht) zu spielen.
Als, nach ca 3 Stunden rollen, stehen, fahren, stehen, rollen, stehen - und dabei keine Klimaanlage oder zumindest ein leichtes Lüftchen durch die offenen Fenster - läuft der Verkehr wieder! Nur ist nun der Fahrer offenbar und SPÜRBAR der Ansicht, er müsse...Zeit aufholen..??!!
Der Bus rast also zwischen anderen Gefährten durch die Dörfchen, Hupt wie gestört, muss hin und wieder vollstoppen und irgendwie kann ich mich so nicht mehr auf Ove konzentrieren und versuche als nächste Ablenkung, herauszufinden, ob mein Toilettendrang oder mein Hunger grösser und schlimmer ist. Meine Haare sind verklebt und ich bin vom Bus schmutzig...:)
Nach der 20min-Mittagspause zieht sich die Fahrt noch einmal 4 Stunden, nun lässt der Fahrer aber alle Beherrschung fallen und brettert mit atemnehmender Geschwindigkeit die vom Regen geprägten Strassen nach Kathmandu rein. Auf dem Pass vor Stadtbeginn noch einmal lange Stau, heiss, und nun kommt der Staub der Stadt dazu, welcher sich fein auf meinem Körper, dem Handy und meinen Haaren absetzt.
Um 18:00 Uhr kommen wir endlich an und irgendwie gabelt uns der IDEX-Fahrer (welchen ich sehr gerne mag, er ist immerzu freundlich, interessiert und hilfsbereit!) auf. Meine Hanwags habe ich. (Haha)
Auf der nochmals einstündigen Fahrt zum Camp frage ich Sanyia, wann sie denn in der kommenden Woche arbeite denn wir wollten ins Kino gehen und Annabelle 2 schauen (sie sagt, sie liebe Horrorfilme - und auch wenn ich ein ziemlicher Angsthase bin da hatte ich Freude dass sie mitkommen will!). Sie erzählt mir aber, dass momentan gerade der Head Chief von IDEX im Camp sei und dass dieser, aufgrund der mangelnden Volonteers welche momentan (Semester und Studienbeginn....) arbeiten, fast 60% der IDEX-Leute entlassen habe, auch sie selbst. "Now I will have to find another job...", sagt sie tapfer. Warum sie es mir nicht gleich beim Anruf gesagt habe, wann denn das gewesen sei?
"Must be Tadapani. I didn't want to upset you!"
Mensch, diese Zurückhaltung!, denke ich und drücke schnell ihre Hand. Sie kann bei den Eltern wohnen aber das Problem für sie ist, dass sie erwachsen ist und nicht verdient - für sie heisse das, sie sei eine "burden at home".
Schade, so was! Ich weiss auch gar nicht, wen sonst sie aus dem nepalesischen IDEX genommen haben, dennoch ist auch der nette Fahrer arbeitslos geworden... 😯
Ich erfahre abends, dass nach der Abreise der 3 Spanier am Sonntag nur noch um die 5 Volontäre arbeiten werden. 5, in einem 3stöckigen Camp! Ich sehe das Problem ja auch ein....
Nun bin ich dennoch froh, angekommen zu sein und mein letztes Bett bezogen zu haben. Wie schon gesagt: das Camp ist echt gut, die Leute lieb und es wird auch zu fünft ganz OK werden! ♡  

Träumen angesagt ;)

Gedanken zu Positivität...

1.9. • Es steht mir nun noch eine, meine letzte Nepalwoche bevor. Und da ich zu diesem Zeitpunkt gerade nicht weiss, nicht sagen kann, wer ich vor Nepal war und wer ich nach Nepal sein werde, habe ich viel, unendlich viel Zeit zum Nachdenken. Ich habe inzwischen mehr als einmal die Nachfrage bekommen, ob ich denn fest Traurig sei, Angst oder Zweifel habe...oder was auch immer!
Da mich diese Nachfragen zwar berührt haben, gleichermassen aber irgendwie eine Art Ärger bei mir hervorgerufen haben, will ich gerne kurz darüber und dafür sprechen... Sie würden "laut meinem Blog denken, dass es mir allgemein nicht sehr gut geht in Nepal".
Jetzt ich dazu: in den letzten 4 Jahren lief ziemlich viel schief und aus dem Ruder. Erst erwischte ich die falsche Strassenbahn, dann pfiff das einte Rad, dann entgleiste der Wagen komplett und landete darauf im Strassengraben im Irgendwo, im Dunkeln, wo ich, früher sichere Fahrerin, plötzlich keine Ahnung mehr hatte, wo ich war und nur noch eines wusste: stillhalten. Mit Abschleppwagen und Viel Hilfe wurde ich langsam wieder ans Steuer gesetzt, dann gewöhnt, dann wurde mir versuchsweise der Platz am Steuer überlassen und dann das Auto selbst... Bis ich mich aber wieder auf die Autostrassen traute, auf die Autobahnen, dann mit Radio an, dann mit Mitsingen....Alles dauert verdammt lange!
Nun Nepal - eine Probe wie auch gleichwohl eine Belohnung für meine vergangenen, unfassbar reichen und vollen Zeiten. Der letzte aller "Wechsel" vor dem Studium, eine Suche nach Neuland... Vielleicht war ich innerlich auch auf der Suche nach einem Kurzschluss-Auslöser, einem Kulturschock, den körperlichen Anstrengungen (hätte ich das nicht so gewollt dann wäre ich nach Amerika als Aupair arbeiten gegangen) und Herausforderungen, einigen heiklen Ungewissheiten - und dem Zwang, sich selbst zu nähren, zu achten, zu beobachten, zu nutzen und zu pflegen. Ich wollte etwas, was mir jegliche Chancen nimmt, mich selbst zu verstecken. Ich wollte ein Land, in welches das unsichere, schwache ICH nicht hineinpasst. In welchem ich nicht rumliegen kann, nichts Falsches machen, in welchem nichts einfach ist, in welchem nicht verschwendet werden kann. Und ich wollte ein Land, was etwas hat, dass kein anderes Land hat: ich wollte den Himalaya. Weil der ist bombastisch, müsst ihr wissen, dieser Himalaya. Das sind nicht bloss Bergen welche dreifache Schweizerhöhen darlegen. Dass sind nicht bloss weisse Zipfel.
Es ist - danke Cornelia Funke - der Saum des HIMMELS. Ich fühle mich, bildlich, dem Himmel so viel naher, so viel verbundener und befreundeter. Nichts ist an den Höhen und Tiefen gefährlich, keine Täler und Felswände müssen uns Angst machen, sofern wir nicht die Absicht haben, runter zu springen!
Vor Nepal habe ich Angst gehabt: Furcht vor jedem Abgrund, ebensolche Angst vor Felswänden und Aufstiegen. Habe vor jedem Berg gezittert, welchen ich gesehen habe, stand ich nun oben oder unten. Als müsse ich, wenn ich oben stand, zwingend nach unten kommen und wenn ich unten stand zwingend raufklettern. Und wenn ich irgendwo am Hang hing - was offensichtlich meine häufigste Lage war - fühlte ich mich 24/7 gwzwungen, das Tal oder das Bergkreuz zu erreichen und zwar schnell, sicher und stark. Nie - nie durfte ich mich mal mitten an Berg zusammenrollen und zufrieden sein, genau dort und halt eben nicht irgendwo angekommen zu sein.
 Auch nicht konnte ich mal alles vergessen, was im Tal auf mich wartete und mich zuoberst in der Einsamkeit eines aufziehenden Berggewitters glücklich und "angekommen" schätzen, so als müsse ich nie wieder nach unten wenn ich nicht wollte. Auch nicht konnte ich mal einen Berg einfach nur von ganz unten ansehen und mir dabei selbst sagen: das ist nicht meine Challenge, diesen Berg werde ich nie im Leben zu besteigen haben.
Immer entweder rauf oder runter, immer auf dem Weg sein zu müssen - F-wort-ing anstrengend!
Und wärend ich das alles realisiere ist da dieses Land, welches ich mir ausgesucht habe (und wieder wählen würde!) und fordert ganz schön!
Ich bin nicht traurig!, damit meine ich: "Nepal macht mich nicht traurig!" Aber ihr müsst verstehen, dass es sich hier um eines der ärmsten Länder der Welt handelt, um eines der Entwicklungsländer - und dass das ein Überbegriff sein soll der auch was zu bedeuten hat! Ihr müsst wissen: es ist, auch für erfahrene Trekker und geschickte Reisende, Backpacker und Guides, insbesondere aber für eine wie mich, die noch nie so weit gereist (nun ja, Kanada war auch weit - aber da hatte ich dann 4 Wochen lange "meine" Farm) ist und sich anstelle von einem Sprachaufenthalt in Australien und "WirkommenamAbendzurück"-Wanderungen in der Schweiz Nepal und den Mustangtrek ausgesucht hat, nicht einfach, durchgehend positiv und aufgestellt zu bleiben. Leider leider dann auch meine Eigenschaft dazu, dass ich es sehr oft nicht spüre, sozusagen "überfühle"; das Schöne, das Gute! Und somit möchte ich mich entschuldigen für genannte "Traurigen Posts" oder Misslaunen - und dem Gerücht entgegensprechen, dass es mir hier nicht gefällt. Und wenn - was wäre denn so schlimm dran? Ich bin auf Reisen! Ich bin halbweltweitweg von Daheim, ich bin ganz mit mir alleine - und da wäre es nicht einmal schlimm, wenn ich mehr Ungutes antreffe wie Gutes (ist aber nicht so!).
Ich hoffe, dass ich es irgenwie schaffe in den verbleibenden Tagen, euch zwar weiterhin authentisch und wahrheitsgemäss zu berichten von hier und meine Gedanken dazu in bessere Worte zu fassen, sodass ich nicht mehr unglücklich oder undankbar wirke! Manchmal bin ich vielleicht selbst noch zu sehr mit meinen dunklen Seiten beschäftigt um die strahlenden Seiten von Nepal genügend zu zeigen!
Ihr stattdessen, denkt euch, damit weitere Missverständnisse aus der Welt (wunderbare Welt haben wir - sie ist überall die selbe, würden wir sie vom Mars aus betrachten spielte Nepal oder Schweiz oder Schweden für den Moment keine vorrangige Rolle mehr...) geschaffen sind, die frischen, sauberen Gemüsetische im Coop, den H&M, die Sitztoiletten (mit Klopapier), die Kaffeemaschine, die Uniplätze, eure Haustierchen, die Pflastersteine der Altstadt, die Eiscremes, eure Fahrräder und den Pizzadienst weg - und kommt mir mit den Vorstellungen etwas entgegen - dann sind wir zusammen "nicht traurig - nur etwas überfordert" 😊
Lot of Love to you! Lena