Freitag, 1. September 2017

Gedanken zu Positivität...

1.9. • Es steht mir nun noch eine, meine letzte Nepalwoche bevor. Und da ich zu diesem Zeitpunkt gerade nicht weiss, nicht sagen kann, wer ich vor Nepal war und wer ich nach Nepal sein werde, habe ich viel, unendlich viel Zeit zum Nachdenken. Ich habe inzwischen mehr als einmal die Nachfrage bekommen, ob ich denn fest Traurig sei, Angst oder Zweifel habe...oder was auch immer!
Da mich diese Nachfragen zwar berührt haben, gleichermassen aber irgendwie eine Art Ärger bei mir hervorgerufen haben, will ich gerne kurz darüber und dafür sprechen... Sie würden "laut meinem Blog denken, dass es mir allgemein nicht sehr gut geht in Nepal".
Jetzt ich dazu: in den letzten 4 Jahren lief ziemlich viel schief und aus dem Ruder. Erst erwischte ich die falsche Strassenbahn, dann pfiff das einte Rad, dann entgleiste der Wagen komplett und landete darauf im Strassengraben im Irgendwo, im Dunkeln, wo ich, früher sichere Fahrerin, plötzlich keine Ahnung mehr hatte, wo ich war und nur noch eines wusste: stillhalten. Mit Abschleppwagen und Viel Hilfe wurde ich langsam wieder ans Steuer gesetzt, dann gewöhnt, dann wurde mir versuchsweise der Platz am Steuer überlassen und dann das Auto selbst... Bis ich mich aber wieder auf die Autostrassen traute, auf die Autobahnen, dann mit Radio an, dann mit Mitsingen....Alles dauert verdammt lange!
Nun Nepal - eine Probe wie auch gleichwohl eine Belohnung für meine vergangenen, unfassbar reichen und vollen Zeiten. Der letzte aller "Wechsel" vor dem Studium, eine Suche nach Neuland... Vielleicht war ich innerlich auch auf der Suche nach einem Kurzschluss-Auslöser, einem Kulturschock, den körperlichen Anstrengungen (hätte ich das nicht so gewollt dann wäre ich nach Amerika als Aupair arbeiten gegangen) und Herausforderungen, einigen heiklen Ungewissheiten - und dem Zwang, sich selbst zu nähren, zu achten, zu beobachten, zu nutzen und zu pflegen. Ich wollte etwas, was mir jegliche Chancen nimmt, mich selbst zu verstecken. Ich wollte ein Land, in welches das unsichere, schwache ICH nicht hineinpasst. In welchem ich nicht rumliegen kann, nichts Falsches machen, in welchem nichts einfach ist, in welchem nicht verschwendet werden kann. Und ich wollte ein Land, was etwas hat, dass kein anderes Land hat: ich wollte den Himalaya. Weil der ist bombastisch, müsst ihr wissen, dieser Himalaya. Das sind nicht bloss Bergen welche dreifache Schweizerhöhen darlegen. Dass sind nicht bloss weisse Zipfel.
Es ist - danke Cornelia Funke - der Saum des HIMMELS. Ich fühle mich, bildlich, dem Himmel so viel naher, so viel verbundener und befreundeter. Nichts ist an den Höhen und Tiefen gefährlich, keine Täler und Felswände müssen uns Angst machen, sofern wir nicht die Absicht haben, runter zu springen!
Vor Nepal habe ich Angst gehabt: Furcht vor jedem Abgrund, ebensolche Angst vor Felswänden und Aufstiegen. Habe vor jedem Berg gezittert, welchen ich gesehen habe, stand ich nun oben oder unten. Als müsse ich, wenn ich oben stand, zwingend nach unten kommen und wenn ich unten stand zwingend raufklettern. Und wenn ich irgendwo am Hang hing - was offensichtlich meine häufigste Lage war - fühlte ich mich 24/7 gwzwungen, das Tal oder das Bergkreuz zu erreichen und zwar schnell, sicher und stark. Nie - nie durfte ich mich mal mitten an Berg zusammenrollen und zufrieden sein, genau dort und halt eben nicht irgendwo angekommen zu sein.
 Auch nicht konnte ich mal alles vergessen, was im Tal auf mich wartete und mich zuoberst in der Einsamkeit eines aufziehenden Berggewitters glücklich und "angekommen" schätzen, so als müsse ich nie wieder nach unten wenn ich nicht wollte. Auch nicht konnte ich mal einen Berg einfach nur von ganz unten ansehen und mir dabei selbst sagen: das ist nicht meine Challenge, diesen Berg werde ich nie im Leben zu besteigen haben.
Immer entweder rauf oder runter, immer auf dem Weg sein zu müssen - F-wort-ing anstrengend!
Und wärend ich das alles realisiere ist da dieses Land, welches ich mir ausgesucht habe (und wieder wählen würde!) und fordert ganz schön!
Ich bin nicht traurig!, damit meine ich: "Nepal macht mich nicht traurig!" Aber ihr müsst verstehen, dass es sich hier um eines der ärmsten Länder der Welt handelt, um eines der Entwicklungsländer - und dass das ein Überbegriff sein soll der auch was zu bedeuten hat! Ihr müsst wissen: es ist, auch für erfahrene Trekker und geschickte Reisende, Backpacker und Guides, insbesondere aber für eine wie mich, die noch nie so weit gereist (nun ja, Kanada war auch weit - aber da hatte ich dann 4 Wochen lange "meine" Farm) ist und sich anstelle von einem Sprachaufenthalt in Australien und "WirkommenamAbendzurück"-Wanderungen in der Schweiz Nepal und den Mustangtrek ausgesucht hat, nicht einfach, durchgehend positiv und aufgestellt zu bleiben. Leider leider dann auch meine Eigenschaft dazu, dass ich es sehr oft nicht spüre, sozusagen "überfühle"; das Schöne, das Gute! Und somit möchte ich mich entschuldigen für genannte "Traurigen Posts" oder Misslaunen - und dem Gerücht entgegensprechen, dass es mir hier nicht gefällt. Und wenn - was wäre denn so schlimm dran? Ich bin auf Reisen! Ich bin halbweltweitweg von Daheim, ich bin ganz mit mir alleine - und da wäre es nicht einmal schlimm, wenn ich mehr Ungutes antreffe wie Gutes (ist aber nicht so!).
Ich hoffe, dass ich es irgenwie schaffe in den verbleibenden Tagen, euch zwar weiterhin authentisch und wahrheitsgemäss zu berichten von hier und meine Gedanken dazu in bessere Worte zu fassen, sodass ich nicht mehr unglücklich oder undankbar wirke! Manchmal bin ich vielleicht selbst noch zu sehr mit meinen dunklen Seiten beschäftigt um die strahlenden Seiten von Nepal genügend zu zeigen!
Ihr stattdessen, denkt euch, damit weitere Missverständnisse aus der Welt (wunderbare Welt haben wir - sie ist überall die selbe, würden wir sie vom Mars aus betrachten spielte Nepal oder Schweiz oder Schweden für den Moment keine vorrangige Rolle mehr...) geschaffen sind, die frischen, sauberen Gemüsetische im Coop, den H&M, die Sitztoiletten (mit Klopapier), die Kaffeemaschine, die Uniplätze, eure Haustierchen, die Pflastersteine der Altstadt, die Eiscremes, eure Fahrräder und den Pizzadienst weg - und kommt mir mit den Vorstellungen etwas entgegen - dann sind wir zusammen "nicht traurig - nur etwas überfordert" 😊
Lot of Love to you! Lena

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