Mittwoch, 16. August 2017

Auf den Spuren des Papiers... Bhaktapur 16.8.

Die hochspannende, kulturell reiche Stadt Bhaktapur stand heute auf meinem Tagesplan. Nach einer etwas schwierigen (Strassenbau, Erdrutsch.. ) Fahrt kamen Stephans Fahrer und ich am Haupttor der Innenstadt Bhaktapurs an. Auf Nepali wird der alte Stadtteil Kathmandus auch Khwopa genannt, fast 100000 Menschen leben hier. Wunderschöne Tempel, alte Architektur, Kloster und Schulen wurden 2015 heftig zerstört und befindet sich jetzt noch im Aufbau, deshalb werden viele Häuser noch durch Stützpfeiler und Stelzen "gehalten".
Nachdem ich den Eintritt (wieder eine Art Permit) von 15 Dollars bezahlt habe schlendere ich zuerst über den Durbar Square zur National Art Gallery, welche dann doch nicht so spektakulär ist... Weiter geht es dann zum Taumadhi Square, weiter zum Pottery Square, wo Töpfereien und Schnitzereien (aus Holz und Yakknochen) zu Mengen angeboten und gehandelt werden.
Leider muss ich mich immerzu von den Guides lösen, ja fast losreissen ("I really wanna be alone thank you!"), sie sind unglaublich aufdringlich und nervig. So argumentieren sie beispielsweise sogar folgendermassen: "wenn ICH Sie nicht begleite Ma'am dann sind Sie nicht sicher vor den Anderen!" Und irgendwann (nach beratenden Worten Chhewangs per SMS) begann ich, sie einfach zu ignorieren, ebenfalls die vielen Händler und Ladenbesitzer, welche mich in ihre Geschäfte lotsen wollten...
Doch wer mich kennt weiss, dass ich sehr schlecht "Nein" sagen kann - und so schaffte es eine Mutter mit Kind auf dem Arm, mir eine "Donation" (für was auch immer!) abzuknöpfen. 1000 wollte sie, doch ich blieb bei 200. Das sollte man eigentlich nie, nie tun! Donations gab ich bisher immer bloss in Klöstern, dort schiebt man sie in Reisschalen oder steckt sie einem Buddha in den Schoss - ohne dass jemand "schein-heilig" (hier sehr passendes Wortspiel!) darum bettelt.
Als ich gemütlich, nach einer Kaffeesitzung mit Postkarten, Whatsapp und Tagebuch, zum Dattatraya-Tempel schlendere bemerke ich langsam aber sicher den Mangel an Autos - und Kühen! - und schätze die Ruhe hier in Bhaktapur. Um den Dattatraya-Tempel herum sammeln sich Tauben in Venedig-Mengen und picken, komischerweise zusammen mit grossen Ziegen, am Boden nach Reiskörnern. Die Ziegen liegen teilweise auf den Stufen des kunstvollen Tempels - oder gar in dessen Eingangsbereich, wo eine Frau inmitten einiger Opfergaben etwas verbrennt. Es ist kein Tier, denn das hätte man wohl gerochen, dennoch ist es absurd, wie die Ziegen, welche ja die eigentlich typischen Opfertiere sind, dem Ritual danebenliegend und kauend zusehen...
Weiter gehe ich in die alte Papierfabrik, wo gesiebt wird. Zuerst erblicke ich bloss die vielen, aus farbigem Pergament geschaffenen Lampions, dann fragt mich ein junger Mann, ob ich die Werkstatt besichtigen wolle. Obwohl mein Magen schon ziemlich nach Mittagessen knurrt, trete ich in den spärlich beleuchteten Hinterhof und durch eine kunstvoll geschnitzte Tür (wie fast alle es sind in Bhaktapur) in dunkle Zimmer.
Die Siebe sind gestapelt an den Wänden, davor stehen Tröge und Maschinen mit... ist das etwa Blut und Fleisch? Nein, es ist die Farbe und die Papierfasern, welche den eckligen Anblick haben! Ich finde es wundetschön! Fasziniert stehe ich neben den Arbeitern, welche sieben, schöpfen und pressen, gehe hinüber zu den Malerinnen, streife mit den Fingern über die mannshohen Papierstapel in den Ecken. Wahrscheinlich sind es Abfälle, denke ich, doch ich könnte sie alle sofort mitnehmen, so sehr zieht das Papier mich in seinen Bann.
Der frische Geschmack macht mich glücklich, so geborgen wie ich es am Vortag im Pilgrims Bookshop war. Kurze Momente der Zeitlosigkeit, der Pause, des Fallenlassens - Papier über Papier, Seiten an Seiten. Es ist ausserdem überraschend wohltuend, die enorme Trockenheit zu spüren. Keine Nässe, keine Fäule, keine Gefahr! Ich denke dauernd an meine Familie und kaufe für sie ein, auch meinen Freunden will ich etwas mitbringen von diesem Ort! Am Liebsten hätte ich von allem Andenken mitgenommen, Schätze, welche mich an Hogwartsfilme und die Tintenreihe von Cornelia Funke (Mo als Buchbinder hätte sich hier wohl gefühlt!) erinnern: die Laternen, wovon die Meisten bemalt sind, die Kalender (kaum zu glauben dass bald 2018 ist!!), die Notebooks und die Briefumschläge, die grossen Plakate aus reinstem Pergament, teilweise mit feinen Blüten eingearbeitet, ganze Lesebücher aus geschöpftem Papier in verschiedenen Sprachen, kleine Gebetsflaggen und Papiervögel, Windspiele, Brieftaschen, Bilderrahmen...was man alles aus Papier basteln kann!
Ich bezahle meinen Fund und bekomme eine gratis Stofftüte - die Nepalesen beginnen, Plastik zu vermeiden (während in der Schweiz jetzt für Plastiktüten 5Rp bezahlt werden muss!). Beim Hinaustreten stosse ich fast mit einer Frau zusammen und kann zum Glück noch ausweichen, ansonsten wären ihre 3 Hühner, welche sie unter den Armen trägt heruntergefallen.
In einer Seitengasse bewundere ich das berümte "Peacock-Window", das Pfauenfenster. Wunderbare Schnitzereien schmücken ein gar nicht mal so grosses Fenster, von welchem man wieder nicht rein, aber hinausschauen kann. Dieses Gittersystem erinnert mich stark an die Anatomie eines Insektenauges - viele kleine Ommatidien verhindern den Einblick, machen das ganze aber umso kunstvoller!
Jedes Restaurant hier (allg. in Nepal) hat entweder einen Garten oder einRooftop, von welchen aus man die Umgebung überblicken kann. Bei meiner Mittagsrast ("Do you wish to have your Lemon Soda with black salt?" Mit was bitte? "We drink it with black salt!" - Also Prost! Passte sogar gut zusammen!) habe ich also den Blick über die Tempel Bhimsen und Dattatraya und gegenüber liegen die wertvollen "Himalayan Wood Carving Masterpieces", welche ich davor auch noch bewundert habe. "Only children until 11 years" stand auf den hölzernen (wer kennt das "Rössli Hü" noch?) Schaukelpferden, ausserdem auch no photos please. Die Schnitzereien kosteten dann doch eine dreistellige Dollarzahl - was mich irgendwie satturierte. Auch die Nepali sollen Geld verlangen dürfen für ihre Werke, für die tägliche Arbeit! Dass sie für nen guten Dal Bhat oftmals nur 3 Dollar veröangen ist lieb - darf aber nicht als normales Preis-Leistungsverhältnis gesehen werden! Da denke ich: sie hätten so viel mehr verdient....
Samash holt mich um 15:00 beim Durbar Square ab und tippt mir zum Glück sachte auf die Schulter, denn ich hätte unseren Land Cruiser zwischen allen Jeeps nicht erkannt ;)
Im Auto denke ich an die verbleibenden 4 Pharpingtage (am Freitag könnte ich Stephans Tochter Vayana kennenlernen, sie kommt aus Japan zurück und beginnt iht Herbststudium in Holland) und die kommende Zeit mit IDEX. Am Montag geht es wieder nach Kathmandu und zum Glück (betend, dass es etwas vom Rummel weg ist, habe ich das IDEX-Camp auf Google Maps gesucht) nicht gleich wieder ins Herz von Thamel oder Durbar Marg... Könnte aber auch bedeuten, dass es dann zur Arbeit ÖV braucht - schauder...
Keine Metzgerei, sondern alte Herstellung handgeschöpften Papiers in der Peacock-Papierfabrik
(Handschöpfen, Färben, Trocknen auf dem Dach und Beschriften/Bemalen)

This is my place...


Das Pergament im Druck

Love...


Dieses Bild habe ich meinen Freunden als "Was ist das"-Quiz geschickt: es sind: "Beeri, Bluetsuppe, 'etwas Rotes', Regenjacke, en rote Glibber...."
Soluschon: tis is paper befor biing paper. ;) 

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