Sonntag, 27. August 2017

Fliegen, Laufen, Rudern, Motorbike und Kino...

Phewa Lake im Abendlicht 

Garden Movies mit Chhewang ☆ 
Pokhara zum dritten... Zwei ganze Tage sind Saniya und ich in der zweitgrössten Stadt Nepals, welche ich nun schon ziemlich gut kenne - der Phewa See und der angrenzende Park, die gesamte "Lakeside" und die kleinen Gassen und Gehmeilen haben es mir viel mehr angetan wie Kathmandu. Auch wenn die Hauptstadt schneller zum "Zuhause" wird und Pokhara etwas länger "fremd" bleibt...
Am Abend nach dem Essen laufen Sanyia und ich noch gemütlich zum Phewasee und blicken auf das ruhige Gewässer raus. Die Boote treiben auf dem Wasser, Jugendliche sitzen am Ufer und lassen die Beine baumeln, auf der anderen Seite sieht man die Lichter der Häuser. Sie will wissen, wie viele Sprachen ich gerlernt habe und auch als ich ihr versichere, dass ich nicht einmal das Englisch richtig gut beherrsche und das Schwedisch noch am Anfang bröckelt ist sie immer noch der Meinung, dass ich hoch gebildet bin. "You are so smart!", sagt sie immer wieder. Ob ich Alkohol trinke, will sie wissen. Selten, gebe ich zu - und da erzählt sie, dass die Frauen hier erst und nur an der eigenen Hochzeit Alkohol trinken in der Regel.
Auch die Saris sind erst an der eigenen Hochzeit das erste Mal obligatorisch, rot ab diesem Moment!
Ob sie schon verheiratet wurde will ich wissen. "NO, of course not!" Offenbar ist es hier nicht so wie in Afrika zB, wo Mädchen mit 12, 13 verheiratet werden.
Ich will ausserdem wissen, ob sie verliebt sei ("Nooo" - grins) und sie sagt, dass ihre Eltern, falls sie einen Mann kennenlernt welcher auch der selben hinduistischen Gruppe, den Newar, angehört und gut zu ihr ist, ihr den Wunsch erfüllen würden und sie mit ihm verheiraten. Ansonsten entscheidet der Vater über das Liebesleben der jungen Frauen...
Ich erzähle von meiner Familie, erzähle von meinem Bruder ("Beschützt er dich auch? Wenn jemand gemein oder böse zu dir ist?", erkundigt sie sich - und ich bejahe. Auch sie hat nur einen Bruder) und meinen Eltern. Sie will wissen, wen ich lieber habe von den Beiden, sie würde es für sich behalten. Ich kann es ihr natürlich nicht beantworten und erzähle, dass es ein solches Denken und Bevorzugen für mich/uns gar nicht gibt...
Als unser Gespräch zu Grosseltern wandert schlägt sie vor, dass wir meine Grosseltern in die Schweiz holen und sie bei uns leben können - so könnten sie "becoming old in peace" und wir könnten ihnen helfen bei allem... In Nepal wäre dies der normale Ablauf. Erst wohnen die Kinder bei den Eltern und später die Eltern bei den Kindern - um Hilfe zu haben und keine eigene Hausarbeit. Dass für meine Grosseltern ein Umzug und Landeswechsel nicht infrage komme, konnte sie, so glaube ich, nur schwer nachvollziehen denn bei ihnen in Bhaktapur wohnen schon alle unter einem Dach zusammen.
Abends sagt Sanyia plötzlich: "You believe in ghosts?" Ähm- ich glaube an Sir Nicolas und den blutigen Baron, die Helena Ravenclaw und die Maulende Myrthe - aber sonst nicht an richtige Geister, nein.
Sie möchte gerne mit Licht an schlafen. Ich gebe mir Mühe, sie nicht anzustarren. Licht in der Nacht?!
Als sie im Bett liegt und ich lese schläft sie sofort ein - das Handy in der Hand. Als ich dann auch müde werde (2 Stunden später - vor zehn kann ich normalerweise nicht schlafen) lösche ich das Licht und öffne das belichtete Badezimmer. Nun flutet ein Lichtstrahl auf Sanyias friedliches Gesicht und verscheucht ihre bösen Geister - wärend ich etwas im "Nachtschatten" liegen kann :)

24.8. Morgens der Schock: sowohl meine Regenjacke als auch (noch viel schlimmer!) meine guten Han Vag Trekkingschuhe sind gestern im Bus geblieben! Aus Reflex meine Frustration: die sind weg, die hat jemand genommen und sehr gut brauchen oder versteigern können. Ich fluche innerlich so sehr dass mir beinahe Nescafé und Joghurt hochkommt.
Doch nichts Böses z6 befürchten in Nepal! Hier muss echt ein Karma existieren, grosse Ehrlichkeit und Bescheidenheit: die Sachen wurden im local office hinterlegt! Zum Glück hat der Fahrer den Bus kontrolliert - angesichts aller Unordnung Nepals und jener im Bus mit all dem rumliegenden Zeug hätte ich dies nicht erwartet. Meine Erleichterung also gross!
Am Donnerstag geniessen wir also die Stadt Pokhara am Morgen. Die Strassen sind im Vergleich zu Kathmandu wirklich gut befahrbar und ziemlich leer, ausserdem nicht das laute Gehupe und die Hektik. Die Luft ist viel klarer, reiner - aber tropisch und somit ist es schon zur frühen Morgenstunde ziemlich drückend... Sanyia und ich fahren erst zum Bindabasini Tempel, der Göttin Kali errichtet, welchen wir nach einer steilen Streppe erreichen. Frauen fasten (wieder einmal) heute für ein langes Leben ihrer Männer. Im Kloster oben immer wieder Bilder und Statuen der Götter Shiva, Parvati, Ganesh - mit Schlangen und dem Ochsen.
Wir bekommen Tikas auf die Stirne gemalt... weiter geht es dann zum Davi Fall, welcher nach einer Schweizerin benannt ist, die in dem reissenden Wasserfall ihr Leben verloren hat. Die darauf folgende Mahadev Höhle ist besonders spannend. Sie ist die längste und attraktivste Höhle in Südasien welche leider durch das viele Wasser etwas durchflutet wurde...:/
Dennoch laufen wir ganz nach unten, werden dabei etwas nass, und erreichen einen Tempel underground, wo zwei Mönche beten.
Auf dem Rückweg zum Hotel besuchen wir das tibetische Flüchtlingscamp, wo wir den Frauen beim Teppichweben zusehen. Es schaut unglaubich kompliziert und mühsam aus - die Resultate jedoch sind so wunderschön!
Pfauenfedern, Himalayabilder, Tiger und Ornamente in allen Farben und so präzise und fein gemacht - ich wünschte, einen in der Wohnung haben zu können!

Am Mittag steigen wir wieder ins Auto. Ich werde etwas machen, dass ich noch nie in Erwägung gezogen habe und so hätte ich auch nie gedacht, dass ich es mich trauen würde!
Vom Auto aus steige ich (ohne Sanyia, sie fürchtet sich, sagt sie - doch ich weiss nicht ob es auch an dem Geld liegt?) einen Hügel hinauf nach Sarankot, ernte eine fantastische Übersicht über Pokhara, lerne meinen Piloten Binod kennen, lasse mich sichern, renne - und hebe ab. Hoch hinaus!
SO stark ist der Schirm über uns, so verdammt sicher hält er mich in den Höhen über den Reisfeldern, Rhododendron-Wäldern und Bergdörfchen. Wie gross Pokhara ist, wie es da neben dem Phewasee im Tal liegt ist mir erst in der Luft klar. Da gibt es nicht nur unsere "Lakeside"! Ich bin mir bewusst, wie still ich bin trotz dem Adrenalin und der fantastischen Sicht aus der Höhe, doch genau so bin ich halt auch, wenn es mir gut geht - ruhig!
Mein Pilot Binod sitzt eng hinter mir und steuert uns in kleinen Spiralen die Hügelketten nach. Den Selfiestick halte ich gerade ausgestreckt (die Bilder sind nun auf einer CD - ich versuche sie schnell zu überspielen im Camp!) und folge brav seinen Anweisungen: "Smiiilee, hold your arms straight, put your legs foreward...!" ☺🌄
So segeln wir innerhalb ca 20min ans Ufer hinunter, die Landung ist einfacher als das Runterrennen beim Start. Ich schaffe es gut (im Gegensatz zu einer Japanerin, welche unter Pilot und Schirm begraben wird;)), sim Stehen auf dem Boden aufzukommen, wärend mich Binod stützt. Er tätschelt mir belebend auf die Schultern: "nice flight!" Mit Puddingknien setze ich mich ans Seeufer und beobachte mein Umfeld: Frauen stochern in den Reisplantagen herum, junge Mädchen sammeln Müll von der Wiese. Weiter abseits stehen Frauen an 2 kleinen Ständen und pressen Obst nach Wunsch zusammen zu Säften. Ich habe inzwischen keine Angst mehr vor dem Obst oder dem Gemüse und der "fehlenden Hygiene". Klar sollte man aufpassen, dennoch habe ich mich in Pharping 8 Tage lange davon ernährt und damit gekocht - vom Paraflying wurde mir viel eher übel! ;)
Sanyia kommt extra im Taxi zu der Landewiese mit meiner Handtasche. Das Mädchen ist wirklich hilfsbereit non plus! Ich freue mich, dass wir es näher haben, die Schwelle des Respekts sich etwas entschärft hat und wir normaler aneinander kommen... Am Vorabend, als sie so komatös neben mir schlief wurde mir klar, dass ich vielleicht eine andere Strategie, eine andere Umgehensweise bei ihr anwenden und mir dabei erlernen muss: sie will, wartet darauf, ist darauf eingestellt, dass ich mich ÜBER sie stelle. Sie ist sich die Unterrolle gewohnt und ich merke immer mehr, dass sie mit netten Anweisungen oder Vorschlägen viel besser klar kommt als mit Nachfragen, dem Erkundigen nach ihrer Meinung, dem Wissenwollen, was sie gerne möchte. "Do you wanna rest? Would you like to have some raisins?"- geht nicht, sie sagt zu allem "Oh no thanks", "I take the same as you", "I don't need"... Zudem immer die typisch-hinduistische Haltung der Ablehnung, der scheue, bescheidene Gesichtsausdruck.
"Sanyia, you take a break now", "Please also have some", "Can you wait here, I need 5 minutes" - das geht, und es macht sie irgendwie sogar glücklicher und selbstbewusster. Selbstbewusster im Wissen, dass sie nicht selbst entscheiden muss... "I just want you to be confortable/happy" sagt sie immer - und auch wenn es mich traurig macht und so gar nicht meiner Natur entspricht, über 2 zu entscheiden und jemanden -wenn auch nur leicht- zurechtzuweisen... Es ist das bestehende Verhältnis was funktionieren kann - und so gewinne ich ihre Kraft, ihre Freude, kann sie ermutigen und sie wissen lassen, dass sie ihre Sache gut macht und mich gut begleitet! :)
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Am Tag darauf ist mir klar: nun sind es noch 2 Wochen Asien - und die werde ich geniessen! Um Sechs Uhr morgens werden wir am darauf folgenden Tag nach Nayapul fahren und da geniessen wir den letzten Tag in Pokhara, dieser hübschen See-Stadt besonders! Nach dem Frühstück machen wir uns auf zur Bootstation und mieten eine rote Gondel - und einen Driver, denn es ist nicht das gleiche, eine Gondel zu rudern wie ein Ruderboot oder ein Kajak (Schweden, Meklenburg-Vorpommern...). Auf einer kleinen Insel liegt der kleine Tal Barahi Tempel, welchen wir besichtigen. Auf der ca einstündigen Weiterfahrt am anderen Seeufer des Phewas entlang bewundere ich das Dschungelgestrüpp und lausche den darin singenden Vögeln. "You're so quiet", sagt der Rudermann (genau wie Binod), "the japanese and chinese guys are always so chatty and make much noise!" Wir geniessen vor allem die Stille, versichern Sanyia und ich - es ist unglaublich friedlich!
Nachdem wir unsere Bootstation trocken und sicher wieder erreicht haben trennen wir uns für den Tag. Dies ist auch etwas, was ich lernen musste: mich von jemanden ablösen, wenn ich alleine sein will. Sanyia wirkt ganz glücklich, dass sie einen Tag voller TV und Freiheit hat ;) also kann ich mich beruhigt auf Geldjagd machen - seit Tagen komme ich nämlich an kein Bargeld mehr heran. Kein ATP-Schalter nimmt meine Mastercard, von der Postcart ganz abgesehen...
Doch dann, endlich, nach 10/10 Chancen welche nicht hingehauen haben komme ich zur 11., der Nabil Bank, welche damals in Kathmandu auch (nur mit der Postkarte!!) funktioniert hat und kann wenigstens für das Trekking Geld abheben.
Weiter laufe ich und finde das German Bakery-Café, wo ich einen wunderbaren, schaumigen Espresso Macciato bekomme und etwas Knausgård süffle...
Um Mittag mache ich mich langsam durch die Baidam Road zurück Richtung Lakeside und stöbere gefüllte (nicht bloss gefühlte!) 2 Stunden im Bookshop "fishtail", welcher auch einen ganzen Haufen gebrauchter und von Trekkern liegengelassener Bücher verkauft. Mit einem Mankell bewaffnet und herrlich seitenbefriedigt laufe ich zum Hotel zurück und packe meine Trekkingsachen für den nächsten Tag zusammen. Weil wir keine Träger haben, achte ich besonders arg drauf, nichts Überflüssiges mitzutragen, lasse sogar (sorry Hausarzt) Medikamente aus😉
Dann holt mich "mein" Chhewang ab und nach einem wunderbaren Scooter-drive durch Pokharas Innenstadt sind wir bei ihnen zuhause und ich lerne endlich sein Töchterchen und seine Frau kennen.
Zusammen schauen wir Bilder an aus seinen Jahren in Deutschland und seinen Ferien in der Schweiz (Luzern, Bern!- für Nepali unglaublich und unerreichbar! Diese Sauberkeit, Ordnung, Stille, Schönheit! "Schau, man sieht sogar die Füsse des Schwans, so klar ist das Wasser!")
Nach der Saftpause zeigt er mir noch kurz das grösste Einkaufscenter Pokharas. Über 4 Stöcke (!!) verteilt findet man alles - die Böden sind ausserdem blitzblank und fast schon rutschig! Chhewang zeigt mir begeistert die Warenhäuser und Wohnungseinrichtungen, die Mikrowellen, Reiskocher, Kühlschränke..... und sagt immer wieder, fast beschämt: "Für dich ist das nicht gross oder?" Ich finde aber, dass es auch für die Schweiz gross ist. Im Erdgeschoss gibt es eine kleine Bowlingbahn und Kinderspielplätze mit selbstfahrenden Autos. "Schau! Achterbahn!", lacht Chhewang und staunt. Komisch ist es, die Rolltreppe zu benützen! Nach all dem Trekken und Laufen ist es wohltuend einfach rauffahren zu können :)
Den Abend lassen wir im "Movie Garden Cinema" ausklingen. Ich bin aufgeregt wie ein kleines Schulkind, endlich wieder in einem "Kino" sein zu können! Die kleine Leinwand ist im Garten aufgebaut, man sitzt oder Liegt auf Liegen, Bänken und Teppichen. Eine kleine Bar verkauft Pizzas und Bier, Popcorn und Kaffee - und zwischen uns wird eine Kerze gegen die Mücken aufgestellt. Über uns ist ein Dach, sodass wir im Trockenen liegen, doch abgesehen von einigen Blitzen am Horizont ist gutes Wetter, der Mond schiebt sich zwischen den Wolken durch und es wird schnell dunkel, sodass nur noch einige Lampions die Zuschauergruppe beleuchten.

Matt Damon macht seine Sache auf dem Mars super, ich mag diesen Schauspieler seit "good Will Hunting" sehr gerne! Die schwerelosen Gegenstände und schwebenden Menschen im Raumschiff faszinieren Chhewang und nach dem Film versuche ich ihm zu erklären, warum sie nicht stehen können, wo Anziehungskräfte herrschen und was Gravitation überhaupt ist! Ich merke, dass er versucht zu verstehen, weiss aber, dass ich von ganz vorne in der Astrologie beginnen müsste bis er einen Einblick hat - da ist fast nichts. (Haben sie das nicht zu Beginn mal im Erdkundeunterricht? Gibt es überhaupt einen Erdkundeunterricht hier?, frage ich mich)
Abschied von Chhewang sehr kurz und somit schmerzlos. Ich bin froh, denn Tschüsssagen fällt mir immer schwer, sogar wenn ich auch nur einen Abenddienst auf der Arbeit beendet habe!
Sanyia ist noch wach - sie hat jedoch die Türe abgeschlossen weil sie etwas Angst hat vor den Typen an der Reception... ich hüpfe schnell wieder mal unter die Dusche wärend sie am TV klebt. Pokhara ist schon sehr sehr feucht und tropisch, ausserdem habe ich nach dem Gartenkino das Gefühl, sämtliche Blutegel und Spinnen in meinen Kleidern sitzen zu haben (Anmerkung: bloss eine kleine Spinne gefunden;)) 🕸🕷

Roasthouse Café in Pokhara Lakeside. Fast wie in Italien ☕

Spaziergang am Phewa-Lake ♡

Bootfahrt am Morgen mit Sanyia


So kann nur eine Tochter zur Mutter aufsehen... 💛


Paragliding von Sarankot hinunter zum Phewa-See :)



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