Sonntag, 6. August 2017

Kartoffelnschälen

Blogreihenfolge von unten nach oben! Allenfalls also erst einmal runterscrollen ☺

Sabin sass auf dem kleinen Platz vor unserer Lodge in Chhusang und schälte Kartoffeln. Ich kam gerade von einem Spaziergang durch die Apfelbaum-Felder und die mir schon bekannten Ruinen über dem Dorf. Knausgård stets in der Hand, kletterte ich über die Mauern und die zusammengebastelten Gartenzäune - ich hatte mich etwas verlaufen gebe ich zu. Ich entschied, Sabin zur Hand zu gehen und fragte in der Küche nach einem weiteren Schäler.
Nach einer 7stündigen Abenteuerfahrt von Lo Manthang nach Chhusang war ich mit den Nerven komplett am Ende. Ein Erdrutsch, ein Steinschlag und zwei Wasserfälle verbauten uns die "Strasse", 4 mal hiess es "Carchange please!" oder "everybody out!". Einen Erdrutsch kann man im Himalaya leider nicht umgehen, man muss am Hang drüberklettern. Ich weiss nicht, ob eine langbeinige Leichte Person Vorteile hat oder ob es meine Kletterstunden in der Kletterhalle waren - oder ob mich schlussendlich jemand festgehalten hat? - auf alle Fälle kam ich lebend über Schutt, Stein und Wasser. Unter meinen Lesern befinden sich hauptsächlich meine Familie und Freunde, also überhopse ich die Details grossräumig :)
Wisst, ich liege jetzt gerade im Bett in Chhusang auf knapp 3000m und habe gerade zwei Kilo Potatoes geschält - der Boden unter mir ist vollkommen eben!
Als ich eben mit Sabin die Kartoffeln schälte, durfte ich wieder die Grosszügigkeit und Dankbarkeit der Nepalesen erfahren. Ich mache solche Sachen freiwillig, weil ich es gerne tue, weil es erst Vier Uhr ist, weil ich unseren Sabin einfach mag oder weil ich mal Pause im Kopf brauche und keinen Gedankenstress! Dafür gab es dennoch: ein Yakfell zum Sitzen, ein Streichen über den Rücken, einen Tee, zwei frisch gepflückte Birnen (so lieb gemeint, aber nicht ganz reif^^).
Ich erkenne hier drin auch etwas der Religion: 'erst alle andern, dann man selbst'.
Eine Gute Tat wird zurückgegeben, es ist alles ein Weitergeben, Gutes wird nicht gehortet.
Glück ist Energie. Lässt sich speichern, zurückhalten, entladen und -eben auch- verwandeln und übertragen.
Chhusang ist beträchtlich touristischer als der hohe Norden Nepals und ich spüre auch, wie es Dreh- und Angelpunkt ist zu Lo, Muktinath und über Kagbeni in die Pokhararegion runter. Manche Wege führen an Chhusang vorbei und leider stört dies sogar im Monsun-Sommer die sonst gewohnte Idylle des Mustangtals...

4.8. Bis morgen Abend werde ich noch alleine in dem kleinen Dorf sein. Sabin und Andreas stiegen heute früh in den "Linienbus" über Kagbeni nach Muktinath. Den Trek nach oben am Sonntag wollte Andreas nicht machen, da er dann den Anfang des Yartung Mela Festivals verpassen würde. Zum Glück haben wir andern auch noch einen Puffertag, wie man es beim Reisen nennt, um den Höhepunkt dieses Erntedankfestes am 7. miterleben zu können. (Eigentlich das "Sommerende": yar = Sommer)
Ich sitze nun also inmitten der Steinhäuschen, wovon jedes 2. einen getrockneten Ziegen- oder gar Yakkopf über dem Eingang hängen hat (gegen böse Geister - ich habe mich schon ganz an den etwas ekligen Anblick gewöhnt). Mir ist unendlich langweilig. Dass ich kein Internetzugang habe macht mich, um ganz ehrlich zu sein, langsam etwas ratlos - und da diese Tage nur kleinere Spaziergänge in Sneakers machbar sind gibt mir schon das Gefühl, viiiieeel zu viel Zeit zu haben. Gedanken sind rar, ich höre den Tag durch Harry Potter (was anderes, neueres habe ich nicht mehr, da ich auf meinem Streifgang hinter Lo wohl meinen Hörbuchgefüllten IPod "in den Sand gesetzt" habe), laufe, schlafe, dusche (warme Dusche - Buddha sei Dank!), schreibe hin und wieder Dinge nieder welche mir einfallen und denke weder vor noch zurück. Gut, doch; vor denke ich noch eher, da mir die Chhusang-Muktinath-Etappe mit über 1000Höhenmetern etwas Schiss macht (wenn alles online kommt bin ich schon oben angekommen!), doch vielleicht ist es ganz gut, dass Langeweile sein darf...
Ich bin ein bisschen der non-stop-Typ, zumindest zuhause. Wenn ich mich an eine aufdemSofachillen oder denganzenTagimBett oder -vordemFernsehen erinnern müsste, dann fällt mir so schnell keinen Moment ein. ImMustangchillen oder denganzenTaginChhusangsein ist also für mich eine kleine Challenge - oder vielleicht eine gute Übung? Nicht erledigen (was denn?), nichts arbeiten (was denn?), nicht reden (mit wem denn?) - die einzige Aufgabe: zu sich selbst gut sein, auftanken & zuhören.

Abends treffe ich alte Freunde wieder: die Amerikaner, welche gerade von der längsten Tagesetappe kommen, sitzen mit mir beim Abendessen - und während ich Thuphka und Masalatee schlürfe lausche ich ihren Diskussionen über Amerikanische Sänger, Trekking und die "possibilities". Ich mag die Mädchen sehr, beide scheinen sehr freundlich und gute Kumpels zu sein! Schade sind sie aus Amerika, schade sind sie nicht zur selben Zeit in Muktinath und schade treffe ich sie im abgelegendsten Winkel von Nepal - wo man sich nicht mal eben so zusammen ins Café setzen kann oder zusammen ins Kino...
Ich geniesse es, einfach neben dem Vater und seinen Kindern zu sitzen und die Familienatmosphäre aufzusaugen. Die Girls, wie sie ihren Vater tadeln, wie er ihnen immer wieder die "importance of protein" beim Essen predigt, wie sie ihm wiedersprechen und bisschen trotzen - und er immerzu liebevoll antwortet und sich um sie kümmert. Offenbat geht es Jess, der älteren Schwester, ebenfalls gesundheitlich nicht sehr gut, doch "dad" fühlt ihren Puls, lässt sie Coke trinken, fragt immer wieder wie sie es am Folgetag handhaben wollen mit dem Essen etc.
"You definitely should walk slower, Jess", sagt die Jüngere - und ich lächle. Langsam entwickelt sich ein Gespräch - auch über Herbert, welcher Jess ja damals etwas in den Geologie-Plänen gestochert hatte - aber vor allem auch über unsere Ticks und "habits" während dem Laufen und in den Lodges... Sich wieder ein bisschen als Mädchen fühlen und Teenie sein - das ist schön! Und er scheint ein toller Papa zu sein für die Beiden...
Wenn ich genug solche Leute treffe auf meiner Reise, dann kann ich vielleicht kurzzeitig dieses schmerzende Papa-Loch Nepals vergessen...

Am Folgetag, um der Langeweile diesmal zuvor zu kommen, steige ich kurzentschlossen mit den Amis in den Jeep. Auch sie werden den Teil nach Muktinath fahren, da Jess ernsthaft krank ist und nicht kann...
Nun hat wohl jede Gruppe, welche wir auf dem Weg getroffen haben, einen Jeepteil eingebaut und fast alle "hatten mal was"...;)
In Tangbe, dem süssen Dörfchen am Kali Gandaki, wo wir ganz zu Beginn Mittagsrast machten, steige ich aus und trinke mit Knausgård einen Masalatee - dann laufe ich zurück nach Chhusang :)

Strassenhunden ist nicht zu trauen! Die meisten sind wild - manche gesellen sich dennoch gern zu einem...;)

 Aufregende Fahrt Lo Manthang - Chhusang: Erdrutsch und Wasserfälle führen zu manchen "Car-Changes"!

 Chhusang: Abwasch vor dem Haus :)

 Lesen am Kali Gandaki Fluss...

 ...und oben auf dem Baum! :)

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